MayDay! MayDay! Let’s organize the parade 011

MayDay! MayDay! Let’s organize the parade 011

Autor*in: PrekärCafé. Erschienen in: Bildpunkt – Zeitschrift der IG BILDENDE KUNST im März 2011.

2008 hat zum vierten – und bisher letzten – Mal eine EuroMayDay-Parade mit rund 4 000 Teilnehmer_innen in Wien stattgefunden. Anfangs gab es den Anspruch, den 1. Mai als Kampftag neu zu etablieren und denEuroMayDay als Initialzündung für eine breitere Organisierung von Widerstand rund um das Thema „Prekarisierung“ auch über den 1. Mai hinaus zu nützen; aber auch den Begriff „Prekarisierung“ in einen breiteren gesellschaftlichen Rahmen zu tragen und widerständig zu besetzen. All das ist im Rückblick nur eingeschränkt gelungen. Als im Zuge der Mobilisierung zum MayDay!2005 von prekären Beschäftigungs- und Lebensverhältnissen die Rede war, von der unsicheren Arbeit mit Laptop und Putzfetzen, mit und ohne Krankenversicherung, mit und ohne Aufenthalts- oder Arbeitspapiere, da wussten hierzulande nur die wenigsten etwas mit „Prekarisierung“ anzufangen.

Heute ist das anders. Zwar hat sich seitdem an den Verhältnissen nichts zum Guten gewendet, aber es gibt nun zumindest ein Begriffsinstrumentarium, das es erlaubt, den fortschreitenden Prozess der Entsicherung aller Lebensverhältnisse zu benennen und einzelne Aspekte gemeinsam, statt getrennt von einander, zu diskutieren. Gegenseitige Verstärkungen haben sich trotzdem nur sehr eingeschränkt ergeben. Der Aufwand, die Parade zu organisieren, war schlussendlich größer, als der Nutzen für Organisierung, aber auch für persönliche Kämpfe im Alltag.

2011 soll es trotz dieser gemischten Bilanz wieder einen MayDay! in Wien geben. Ausschlaggebend für die bisher an der Organisation beteiligten Aktivist_innen waren, neben der guten Erfahrung einen sozialen Treffpunkt als Alternative zum ritualisierten Aufmarsch der SPÖ zu haben, unter anderem folgende Gründe: So sind in Wien in den letzten Jahren interventionsorientierte antirassistische Strukturen entstanden, die durch Anti-Abschiebeaktionen bis hin zum Transnationalen Migrant_ innenstreik am 1. März präsent sind. Nachdem einer der zentralen Slogans derMondoMayDay!-Bewegung „No borders! No precarity!“ lautet, ist es inhaltlich naheliegend hier anzuschließen, um der gemeinsamen Forderung nach Politisierung des Alltagslebens zur Selbstermächtigung Ausdruck zu verleihen. Zum zweiten bietet sich nach der breiten Protestwelle auf den Universitäten 2009/2010 auch das Thema „prekarisiertes (Alltags-)Wissen & Arbeit“ an, um an eigene Lebensverhältnisse anzuknüpfen und neue Perspektiven für gemeinsame soziale Kämpfe zu gewinnen. Zum dritten gilt es auch dieses Jahr wieder die zunehmenden stadträumlichen Konflikte und die Forderungen nach einem „Recht auf Stadt“ aufzugreifen.

Falls sich all diese Kämpfe gegen prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse bis zum 1. Mai verbinden ließen, würde die Parade heuer womöglich erstmals von einer Dynamik geprägt sein, die wesentlich zur Verstärkung und Sichtbarmachung unserer Kämpfe dient. Dies würde überhaupt erst möglich machen, auch dauerhaft Menschen anzusprechen, die ihre alltäglichen sozialen Kämpfe fernab von marginalen (Polit-)Szenen einer Hauptstadt ausfechten. In dem Sinne hoffen wir wieder einen großen Vorbereitungs- und Unterstützer_innenkreis zur Gestaltung des MayDay! motivieren zu können. Offene Vorbereitungstreffen finden ab sofort jeden Donnerstag um 18h30 im Amerlinghaus statt (Stiftgasse 8, 1070 Wien). Nähere Informationen zum aktuellen Stand der Mobilisierung können unter www.prekaer.at abgerufen werden.

Das PrekärCafé ist 2008 aus der EuroMayDay-Bewegung hervorgegangen und aktuell, als eines von mehreren Kollektiven bzw. Einzelpersonen, an der Organisierung eines MayDay! 2011 beteiligt.

MAYDAY? History an Best Practice!

…. es geht ein Gespenst um ….

In Barcelona, Hamburg, Mailand, Wien und anderen europäischen Städten werden am 1. Mai “MAYDAY! Paraden” ausgetragen. Barcelona und Mailand waren die Vorreiterstädte, von wo aus die MAYDAY! Bewegung seit 2001 mittlerweile ihre Verbreitung auch über Europa hinaus fand.

MayDay! MayDay! Wir sind das Prekariat! Auf Abruf verfügbar, nach Belieben auszubeuten und kündigbar nach Lust und Laune: Wir sind wendige JongleurInnen unserer Jobs, wahre Schlangenmenschen der Flexibilität. Aber seid auf der Hut: Wir sind drauf und dran, unsere prekären Kämpfe zu vernetzen!“ Unter diesem Slogan startete 2005 die erste Parade der Prekären auch in Wien.

Der Begriff der „Prekarität“ ist ebenso wenig neu, wie der Sachverhalt, den er bezeichnet. Für viele, insbesondere Frauen und MigrantInnen, ist er schon seit langem alltägliche Normalität. Nichtsdestotrotz gewinnt die Entsicherung unserer Arbeits− und Lebensbedingungen unter den gegenwärtigen Bedingungen des neoliberalen Umbaus eine neue Qualität: Prekarität erfasst die Gesellschaft zusehends in ihrer Gesamtheit.

„MayDay!“ − das Alarmsignal von in Seenot geratenen Schiffen − haben wir jedoch nicht bloß deshalb zum „Schlachtruf“ erkoren, um diesen Zustand zunehmender Verletzbarkeit zu betonen. „Mayday!“ wird auch die Losung unseres Kampftags, des 1. Mai, sein. Von den traditionellen Maiaufmärschen werden sich unsere Aktivitäten an diesem Tag durch lautstarke, bunte und kreative Formen des Kampfes und der Organisation unterscheiden. Aber auch durch die Verschiebung des inhaltlichen Schwerpunkts von einer abstrakten Feier der Arbeit hin zur Auseinandersetzung mit der konkreten Prekarisierung von Arbeit und Leben.

Um Repräsentation durch Selbstermächtigung, Einfalt durch Vielheit zu ersetzen, wählen wir offene und möglichst hierarchiefreie Aktionsformate. Damit sollen die verschiedensten Aspekte der gegenwärtigen Prekarisierungsprozesse der Unsichtbarkeit entrissen und verhandelbar gemacht werden; nicht um die Unterschiede zu nivellieren, sehr wohl jedoch um den vorherrschenden Zustand der Fragmentierung und Vereinzelung zu überwinden und eine Basis für gemeinsames politisches Agieren zu schaffen. Denn das, was die zu Niedrigstlöhnen schuftende Supermarktangestellte und der sich durch geringfügige Jobs und unbezahlte Praktika wurstelnde Student, was die sozialversicherungslos werkelnde Kulturarbeiterin und der unter ständigen Disziplinarandrohungen stehende Erwerbsarbeitslose, was die papierlose und dadurch umfassend entrechtete Sexarbeiterin und der nicht bloß freiberuflich arbeitende, sondern auch von längerfristigen Perspektiven „befreite“ Webdesigner sowie alle ihre Zwischen− und Mischformen gemein haben, ist eben jenes sehr unterschiedlich ausgeprägte Moment der Prekarität. Gemeinsam ist ihnen aber auch der Wunsch nach sozialen Sicherheiten für ein Leben, das flexibel, aber ohne den fremdbestimmten Zwang zur Flexibilität gestaltet werden kann.

Der MAYDAY! soll als Initialzündung für eine stärkere Vernetzung unserer prekären Kämpfe fungieren und das kollektive Bemühen um soziale Rechte − unabhängig vom jeweiligen Beschäftigungs− und Aufenthaltsstatus der Betroffenen − vorantreiben. International vernetzt werden deshalb auch heuer wieder in unzähligen Städten hunderttausende Menschen am 1. Mai auf die Straße gehen.

Denn dem prekären Arbeiten und Leben kann nur mittels einer Bündelung unserer Kämpfe begegnet werden, um die sie befördernden Verhältnisse zum Tanzen zu bringen!